Vorwort

Die Forschungsreise im Oktober 1994 nach Boston, MA, hat meinen Kolleginnen und Kollegen und mir eine freudige Überraschung erbracht: Die San Francisco Psychotherapy Research Group („Control-Mastery-Theory“) um die Professoren Harold Sampson Ph.D. und Joseph Weiss M. D. ist auf der analytischen Seite meiner Theorie zu genau den gleichen Erkenntnissen gekommen wie wir. In meinem Buch „Sinn und Irrtum“ habe ich wesentliche Zitate dieser „Kontroll-Theorie“ bereits veröffentlicht. Die Begegnungen mit dem Professorenehepaar Cynthia und Robert Shilkret Ph.D. als Vertretung der San Francisco Psychotherapie-Gruppe und eine Forschungsreise direkt nach San Francisco haben uns inhaltlich davon überzeugen können, dass nicht nur das gleiche Menschenbild, sondern eben auch die gleiche Position gegenüber der beraterischen und therapeutischen Arbeit mit Menschen in dem unbedingten Ja gegenüber der Menschlichkeit des Menschen besteht.

Abschied genommen habe ich vom Begriff „Logosophie“, der meine Theorie bis zum April 1994 bezeichnet hat. Dieser Begriff ist jedoch bereits in den 30er Jahren von Carlos Bernardo Gonsález Pecotche in Brasilien verwendet worden, um seine, mir nicht „kompatible“ Theorie über den Machtmenschen zu bezeichnen. Die „braune“ Anfärbung seiner Veröffentlichungen, die mir erst im April 1994 zugänglich gemacht worden sind, entsprechen genauso wenig dem Inhalt meiner Weltanschauung, wie andere autoritäre oder autoritätshörige Anschauungen.

Ich habe den Namen meiner Theorie in Noologische Metatheorie geändert.

Noologie bezeichnet das Arbeitsgebiet der Erforschung der vom menschlichen Geist (griech.: nous) erwirkten Phänomene. Eine Metatheorie wird auf wissenschaftstheoretischem Gebiet eine Theorie genannt, die die Theorienbildung in den unterschiedlichen Fachgebieten auf ihre Wissenschaftlichkeit (u.a. auf ihre Widerspruchsfreiheit) hin untersucht, sie will eine allgemeine, übergreifende sein (siehe z.B. Habermas, Popper, Luhmann).

Die von dieser Theorie abgeleiteten Untergebiete sind die der Nooanalyse (Erforschung der vom Geist ausgehenden - noogenen- und auf den Geist einwirkenden - nootropen - Faktoren, Elemente und Sachverhalte), die als wissenschaftliche Methode die Ursachen und Zusammenhänge menschlichen Verhaltens erforscht, und die der Noosomatik (Erforschung und Therapie der vom Geist des Menschen - fälschlich als Verursachung durch die Seele <griech.: psyche, vgl. „Psychosomatik“> ausgegeben - auf den Körper einwirkenden und ggf. Symptome und Krankheiten hervorrufenden Phänomene).

Die ersten beiden Auflagen dieses Buches (1980 und 1988) hatten die Aufgabe, nicht nur in die von mir entwickelte anthropologische und erkenntnistheoretische Theorie einzuführen, sondern auch als Arbeitsbuch für die theoretische Fort- und Weiterbildung zu dienen. Nachdem diese Aufgabe als Arbeitsbuch in anderen Veröffentlichungen von mir (und auch wesentlich ausführlicher) übernommen worden ist, kann ich mich auch bei dieser 5. Auflage auf die Einführung in meine Theorie und die Überarbeitung (einschließlich notwendiger Ergänzungen) bisheriger Texte beschränken.

Ich möchte gerne, dass dieses Buch allgemein verständlich ist, jedoch möchte ich Leserinnen und Lesern nicht das eigene Denken abnehmen. So mag es sein, dass einige Passagen leichter für das Verständnis erscheinen als andere. Die Querverweise auf andere Veröffentlichungen und auf Forschungsergebnisse der unterschiedlichen Wissenschaften habe ich auf ein Minimum reduziert, doch nicht ohne darauf hinzuweisen, wo diese ausführlicher zu finden sind.

„Nicht Feind sein wollen heißt noch nicht, jedermanns Untertan sein zu müssen; doch sich selbst Freundin oder Freund sein öffnet Wege und Räume für gewaltfreie Gemeinschaft“ - diese Bemerkung des Komponisten J. J. Duverger möchte ich als Wunsch auch dieser 5. Auflage meines ersten Buches mit auf den Weg geben.

Wiesbaden, 31.1.2007 Walter Alfred Siebel